Zahnklinik für das Land der hohen Pässe

NEUHAUSEN: Das Hilfsprojekt von Zahnarzt Rainer Roos wird vom Dalai Lama unterstützt – Weitere Spenden werden gebraucht

Esslinger Zeitung 27.09.2016
Von Elisabeth Maier

Die Begegnung mit dem Dalai Lama im nordindischen Ladakh hat den Zahnarzt Rainer Roos aus Neuhausen tief berührt. „Seine Teachings hält er vor 120 000 Menschen und mehr“, sagt Roos, der seit dem Jahr 2000 mit seiner Frau Ulrike in die Region kommt. In dem ehemaligen Königreich, das von Gebirgspässen zerklüftet ist, leben tibetische Flüchtlinge. Für sie baut der Zahnarzt aus Neuhausen eine Klinik, die das ganze Jahr betrieben werden kann. „Im jetzigen Provisorium sind Behandlungen nur im Sommer möglich.“ Für sein Projekt bekommt er sogar prominente Hilfe. Denn nun, nach 16 Jahren, haben Roos und sein Bauteam im August eine Audienz bei dem charismatischen Oberhaupt der Tibeter bekommen. Und der bescheidene Schwabe strahlt, wenn er von dieser besonderen Begegnung spricht. „Der Dalai Lama will uns beim Bau der Klinik in Choglamsar unterstützen.“ Die Hilfe kann er brauchen, denn in dem Land sind Beziehungen alles.
Nicht nur deshalb gestaltet sich der Bau sehr schwierig.

Die Zahnklinik wird neben dem Palast des 14. Dalai Lama gebaut, der 1959 wie viele seiner Landsleute aus Tibet fliehen musste. Ein Rohbau steht bereits. Im Frühjahr 2017 wird die Holzkonstruktion samt technischer Ausrüstung in Container verladen und nach Indien transportiert. Mit einem Team von Handwerkern und anderen Fachleuten wollen Roos und seine Mitstreiter die Arbeiten im August 2017 in drei Wochen stemmen.

Seine neue Klinik beinhaltet neben einer Praxis mit zwei Behandlungsstühlen, einem Labor und einem modernen Hygienebereich auch eine kleine Wohnung für den Zahnarzt und für Patienten, die beobachtet werden müssen. Da es auf dem Gelände bislang noch keine autarke Versorgung für

Strom, Wasser, Abwasser, Heizung, Telefon und Internet gibt, sind die Arbeiten aufwendig. Mit seiner Ladakh Medical Aid gGmbh will er „nachhaltige Hilfe“ leisten.

Die Möglichkeiten fehlen

Roos arbeitet in Ladakh eng mit dem Dentisten Kunsang Dechen zusammen. Er wird die Klinik in Ladakh übernehmen und mit einem vierköpfigen Team die Menschen dort versorgen. „Ein sehr hoher Prozentsatz leidet unter Hepatitis“, sagt Roos. Deshalb würden sie von indischen Zahnärzten oft nicht behandelt, weil die medizintechnischen und hygienischen Möglichkeiten fehlten. Das bedeutet für viele qualvolle Schmerzen. Für westliche Mediziner sei die Behandlung aber kein Problem. Deshalb wollen Roos und sein Team Entwicklungshilfe leisten. Sein Kollege aus Ladakh ist regelmäßig bei ihm in der Zahnarztpraxis in Neuhausen tätig, um medizinisch auf dem neuesten Stand zu bleiben – und Roos ist überzeugt: „Die Zusammenarbeit bringt auch mir viel.“

Was bewegt den engagierten Zahnmediziner, der jahrelang für die CDU im Gemeinderat Neuhausen saß, seine Sommerferien seit 16 Jahren in Ladakh zu verbringen und Zahnkranke zu behandeln?
„Ich mache meine Arbeit einfach gern“, sagt er und lächelt. Auch seine Frau Ulrike, die mit ihm die Praxis in der Gartenstraße führt, stehe voll und ganz hinter dem Projekt: „Ohne ihren Einsatz ginge das nicht.“ Außerdem sei das Arbeiten in Deutschland sehr viel anstrengender, weil die Termine in der Praxis so eng getaktet seien. Da gerate man viel eher in Stress. „In Ladakh lasse ich mich gerne von der Gelassenheit der Menschen anstecken.“ Sie hätten einen anderen Rhythmus, nähmen sich auch im Alltag Zeit. Von dieser entspannten Lebensphilosophie nimmt sich das Ehepaar Roos bei jeder Reise ein Stückchen in den Alltag daheim auf den Fildern mit. Von der Schönheit der Landschaft schwärmt Roos, wenn er von seinen Reisen berichtet. Er und seine Frau seien fasziniert von den Bergen, von der unberührten Natur. „Aber das Gelände ist sehr unwegsam.“ Manche Orte seien mit dem Motorrad nur unter größten Mühen zu erreichen. Im Land der hohen Pässe, wie Ladakh genannt wird, stößt er deshalb auch bei seinem Hilfsprojekt immer wieder an Grenzen, denn die Transportstrecken seien oft mehr als unwegsam. Um den Transport der Baumaterialien für die neue Zahnklinik zu finanzieren, sind Roos und sein Team auf Spenden angewiesen. Einige Sponsoren unterstützen das Projekt bereits, aber die Mittel reichen noch nicht aus. Auch praktische Hilfe für das Projekt, etwa von Logistikunternehmen, ist willkommen. Auf der Homepage seiner Klinik stellt Roos das Projekt und die nächsten Schritte ausführlich vor.

Das Spendenkonto für das Projekt Ladakh Medical Aid gGmbH
Iban: DE44611616960249995000;
BIC:GENODES1NHB

DER DALAI LAMA UND SEIN PALAST IN LADAKH

Der 14. Dalai Lama: Tenzin Gyatso (in tibetischer Sprache „Verteidiger der Lehre“) lautet der Name des 14. Dalai Lama, der im Jahr 1935 als Tibets geistliches und weltliches Oberhaupt eingesetzt wurde. Der Sohn einfacher Bauern, der früh von buddhistischen Mönchen als die Wiedergeburt des 13. Dalai Lama anerkannt wurde, bestieg bereits mit vier Jahren den Thron. Als die Chinesen 1959 Tibet annektierten, musste der Dalai Lama sein Land Tibet verlassen. Heute verleiht er den Menschen, die aus Tibet vertrieben wurden, eine Stimme. Viele von ihnen leben im nordindischen Ladakh.

Das ehemalige Königreich Ladakh in Nordindien: Ladakh war einst ein unabhängiges buddhistisches Königreich. Heute leben dort in der Region zwischen den Gebirgsketten des Himalaya 290 000 Menschen. Viele von ihnen sind Flüchtlinge aus Tibet. Dass sie jemals dorthin zurückkehren könnten, ist nicht absehbar. Sie haben die tibetisch-buddhistische Kultur in Ladakh mit ihrer Lebensform aber entscheidend geprägt. Deshalb wird es im Volksmund „Klein-Tibet“ genannt. Eine Haupteinnahmequelle ist heute der Tourismus. In der Hauptstadt Leh gibt es ein SOS- Kinderdorf.

Palast des Dalai Lama:Die Somerresidenz des Dalai Lama ist in Ladakh. Choglamsar heißt das ehemals triste Landstück, das die Inder den tibetischen Flüchtlingen zugewiesen haben – heute ist es eine prosperierende Region. Dort hält das Oberhaupt der Tibeter seine Audienzen ab, die eine große Auszeichnung sind. In dem Gebäude, das an ein Kloster erinnert, finden auch die Teachings statt, in denen der charismatische Geistliche seine gewaltfreie Philosophie verkündet. Rainer Roos‘ neue Zahnklinik wird 2017 gegenüber dem Palast des Dalai Lama gebaut.